Sogar schon im Lexikon 
         Die Stuttgarter Gruppe/Schule, um zunächst noch bei diesem 
          Doppelbegriff zu bleiben, ist keine Fata morgana, wie man vermuten möchte, 
          wenn man sich in Stuttgart nach ihr erkundigt und ohne Antwort bleibt. 
          Sie hat es sogar schon zu spärlichen lexikalischen Verzeichnungen 
          gebracht, zuletzt in dem 1996 erschienenen 3bändigen "Fischer Lexikon 
          Literatur" in der Abteilung "Philologie und literarisches Leben", wo 
          unter dem Stichwort "Dichterkreise/Koproduktionen" zu lesen ist: 
            "Experimentelle Dichtung bzw. visuelle und konkrete Poesie diskutieren 
          und produzieren in den fünfziger und sechziger Jahren die 'Stuttgarter 
          Gruppe' aus Schriftstellern und Typographen (Bense, Reinhard Döhl, 
          Ludwig Harig, Helmut Heißenbüttel), der internationale 'Darmstädter 
          Kreis' (Claus Bremer, Dieter Rot, Spoerri, Thomkins, Williams) und die 
          an Dadaismus/ Surrealismus anknüpfende, mit Methoden der Sprachphilosophie 
          und Kybernetik arbeitende 'Wiener Gruppe' (Achleitner, Hans Carl Artmann, 
          Konrad Bayer, Gerhard Rühm, Oswald Wiener); zur Österreichischen 
          Literatur-Avantgarde zählt ferner der Grazer Kreis 'Forum Stadtpark' 
          (Wolfgang Bauer, Thomas Bernhard, Barbara Frischmuth, Peter Handke, 
          Ernst Jandl, Friederike Mayrökker)." 
            Ein solcher Artikel verstellt allerdings mehr als er erhellt. 
          Das beginnt mit den Namen, unter denen für Stuttgart die der Typografen, 
          Klaus Burkhardt und vor allem Hansjörg Mayer, fehlen. Ferner sind 
          Autoren falsch zugewiesen. Denn Ernst Jandl, der in Stuttgart entdeckt 
          wurde, muß, Friederike Mayröcker könnte auch der "Stuttgarter 
          Gruppe" zugerechnet werden. Thomas Bernhard hat weder mit dem "Forum 
          Stadtpark" zu tun noch ist er Autor experimenteller, geschweige denn 
          konkreter Poesie. Die für den "Darmstädter Kreis" vornamenlos 
          genannten Spoerri, Thomkins und Williams scheinen dem Lexikographen 
          wenig zu sagen, wird doch im Register Emmett Williams der Vorname Tennessy 
          beigelegt. Dadaismus, Kybernetik, Sprachphilosophie lassen sich zwar 
          als Grundlage und Anregung auch der "Wiener Gruppe" benennen, müßten 
          aber vorrangig erst einmal mit der Stuttgarter Gruppe/Schule in Verbindung 
          gebracht werden. Darüber hinaus fehlt ein Hinweis auf Wechselbeziehungen 
          zwischen den einzelnen Gruppen, z.B. darauf, daß es die "Manuskripte" 
          des "Forum Stadtpark" waren, die 1965 die "Stuttgarter Gruppe" umfassender 
          vorstellten, daß Bremer, Rot, André Thomkins und Emmet 
          Williams auch im Umfeld der "Stuttgarter Gruppe" eine Rolle spielten, 
          wie überhaupt die internationalen Verflechtungen speziell der "Stuttgarter 
          Gruppe" merkwürdig unerwähnt bleiben. Schließlich werden 
          wieder einmal die akustischen Leistungen konkreter Poesie, ihre Affinität 
          zur akustischen Kunst einfach ignoriert. 
            Dabei hätte sich der Verf. bereits in "Meyers Enzyklopädische[m] 
          Lexikon" (erschienen in den 70er Jahren) oder - ausführlicher - 
          in "Metzler[s] Literatur Lexikon" (seit 1984 in mehreren Auflagen) durchaus 
          schlauer machen können. 
            So ganz unbekannt ist nämlich die "Stuttgarter Gruppe/Schule" 
          nicht, vor allem, wenn man Artikel oder Erwähnungen in den Print 
          Medien auch außerhalb Deutschlands, in Japan zum Beispiel, der 
          Tschechoslowakei, heute Tschechien, in Brasilien, Frankreich, England 
          und anderen Orts hinzurechnet. Und wer Materialien sucht, von Publikationen 
          über Typoskripte, Partituren, bildkünstlerische oder grafische 
          Arbeiten bis zu einer intensiveren Korrespondenz, wird zwar nicht in 
          Marbach, wohl aber in der Bibliothek der Mushajino Art University in 
          Tokyo (im Nachlaß Seichii Niikuni), im Museum der tschechischen 
          Nationalliteratur in Prag (in der Sammlung Bohumila Grögerová/ 
          Josef Hiršal), in der Bibliothek in Amiens (Sammlung Ilse und Pierre 
          Garnier) und anderen Orts fündig. Der Nachlaß Benses wird 
          hoffentlich doch noch nach Marbach finden, der Nachlaß Heißenbüttels 
          wahrscheinlich an die Berliner Akademie gehen. Was aus dem Material 
          wird, das sich bei mir angesammelt hat, steht in den Sternen. 
        Anfänge und Name 
          Ludwig Harig hat mehrfach die Stuttgarter der "Schule von Athen" verglichen 
          und sogar einige ihrer Mitglieder auf dem Bild Raffaels identifiziert. 
          Er hat für sich und Manfred Esser die Rolle des Namengebers und 
          Taufpaten reklamiert und auf seine Weise (zuletzt in "Im Geheimen ein 
          Spiel. Poesie und Mathematik" in der Bense-Festschrift "zeichen von 
          zeichen für zeichen", 1990) wiederholt, was Esser schon 20 Jahre 
          vorher in einem tagebuchähnlichen Essay, "Unter aller Kritik der 
          Kritik. Bense und die Linke in den Stuttgarter 60er Jahren", in Anspruch 
          genommen hatte: 
            "Bei den Tel-Quel-Leuten (Faye, Foucault, Sollers) und der italienischen 
          Gruppe 63 (Sanguinetti) setzen 63 mit Freudentränen Esser & 
          Harig den möglichen Index STUTTGARTER SCHULE an, ein, durch." 
            Ich sehe das etwas anders, und datiere die Anfänge der Stuttgarter 
          Konstellation wenn nicht mit den Umzügen Heißenbüttels 
          und Döhls nach Stuttgart, wo Bense seit 1950 wirkte, so spätestens 
          mit einem heftig umstrittenen Vortrag, "Zeitgenössische Literatur 
          in Deutschland", auf den "Morsbroicher Kunsttagen 1961" (Schloß 
          Morsbroich, 5.-7. Mai 1961), in dem es Bense um konkrete, vor allem 
          aber auch künstliche Poesie, also Computertexte ging. Das professorale 
          "wir" des Vortragenden, auch in der von Adorno geleiteten Diskussion 
          des nächsten Tages, erweckte bei den zuhörenden Künstlern, 
          nicht ganz zu Unrecht, den Eindruck eines Stuttgarter Gruppenunternehmens.      
          (Gelesen haben in Morsbroich übrigens neben Helmut Heißenbüttel 
          auch Bremer und Franz Mon, zu denen spätestens seit diesen "Kunsttagen" 
          von Stuttgart aus Kontakt gehalten wurde). 
        
Chronologie 
            Wie immer dem sei: ein Streit um Prioritäten führt 
          - ähnlich wie seinerzeit die Diskussion um die Erfindung des Wortes 
          Dada - nicht weiter. Und so halte ich mich im Folgenden, philologisch 
          exakt, an die Quellen und rekapituliere 
          - daß Klaus Burkhardt 1962 einen "Unendlichen Calender" mit Texten 
          von Bense, Rühm, Elisabeth Borchers, Burkhardt, Döhl, Harig 
          und Esser druckte, bei dessen Vorstellung in Niedlichs Bücherdienst 
          Eggert, einem frühen Ort der Stuttgarter Aktivitäten, Esser 
          und Döhl einen kleinen, gemeinsam in Weinlaune geschriebenen Text 
          vorlasen, allerdings kein "Manifest der 60er Jahre", wie Esser später 
          in seinem tagebuchähnlichen Essay stilisieren wird. 
          - Ich rekapituliere weiter, daß eine "Ecole de Stuttgart" erstmals 
          am 29. Oktober 1963 auf der 3. Biennale im Musée d'Art Moderne 
          in Paris im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Art du langage", präsentiert 
          vom R.T.F. und der Domaine Poétique, auftrat mit "Poèmes 
          de Heissenbüttel, Reinhardt Döhl, Ludwig Harig" und einer 
          "Présentation de Manfred Esser". Soweit das Programmheft. Das 
          'Tagebuch' Essers nennt noch, und ich kann sie bestätigen, Texte 
          Max Benses und vermerkt, daß "Bazon Brock [...] sich, Kriwet und 
          Mon hinzu"getan habe. Ich erinnere mich ferner an einen Film Georg Benses 
          zu Bremers "der fisch fliegt steil" und daran, daß für die 
          Dauer der Veranstaltung von Burkhardt und Döhl überdruckte 
          Zeitungen, sogenannte "Use Papers", mit Stecknadeln an die Wände 
          des Vortragssaals geheftet waren. Eine Rezension der Lesung spricht 
          ebenfalls von "Ecole de Stuttgart". 
          - In März 1965 erscheint die sogenannte Stuttgart-Nummer der Grazer 
          "Zeitschrift für Literatur, Kunst, Kritik", "manuskripte", mit 
          einem Manifest von Bense und Döhl aus dem Jahre 1964, sowie Beiträgen 
          von Bense, Döhl, Harig, Heißenbüttel, Jandl, Mayer, 
          Mon, Bremer und anderen. Das Editorial erklärt eine Vorstellung 
          der "Stuttgarter Gruppe" für "notwendig" und erklärt "Die 
          Ecole Stuttgart" für "eine Erfindung der französischen Literaturkritik". 
          Dann weiter: "Was diese Gruppe" verbinde, sei "1. die Tradition einer 
          sogenannten experimentellen Kunst seit der Literaturrevolution und 2. 
          ein vergleichsweise ähnliches (theoretisches) Bewußtsein 
          den Materialien gegenüber, mit denen" man arbeite. Ansonsten gehe 
          "jeder seine[r] Wege" und verwirkliche "für sich seine ästhetischen 
          Vorstellungen und Absichten". 
            Bense und Döhl unterscheiden in ihrem Manifest als Tendenzen 
          aktueller Poesie: 
          "1. Buchstaben = Typenarrangement = Buchstaben-Bilder 
           2. Zeichen = grafisches Arrangement = Schriftbilder 
           3. serielle und permutationelle Realisation = metrische und        
          akustische Poesie 
           4. Klang = klangliches Arrangement = phonetische Poesie 
           5. stochastische und topologische Poesie 
           6. kybernetische und materiale Poesie." 
          "Allerdings", schränken sie ein, würden "diese Möglichkeiten 
          nicht in reiner Form verwirklicht. Wir ziehen die Poesie der Mischformen 
          vor. Ihre Kriterien sind Experiment und Theorie, Demonstration, Modell, 
          Muster, Spiel, Reduktion, Permutation, Iteration, [...] Störung 
          und Streuung, Serie und Struktur. Das Erzeugen ästhetischer Gebilde" 
          erfolge "nicht mehr aus Gefühlszwängen, [...] sondern auf 
          der Basis bewußter Theorien, intellektueller [...] Redlichkeit. 
          Zur Realisation ästhetischer Gebilde" bedürfe "es des Autors 
          und des Druckers und des Malers und des Musikers und des Übersetzers 
          und des Technikers und des Programmierers. Wir sprechen von einer materialen 
          Poesie oder Kunst. An Stelle des Dichter-Sehers, des Inhalts- und Stimmungsjongleurs" 
          sei "wieder der Handwerker getreten, der die Materialien" handhabe, 
          "der die materialen Prozesse in Gang" setze "und in Gang" halte. "Der 
          Künstler heute" realisiere "Zustände auf der Basis von bewußter 
          Theorie und bewußtem Experiment. 
            Wir sprechen von einer experimentellen Poesie, insofern ihre 
          jeweiligen singulären Realisationen ästhetische Verifikationen 
          oder Falsifikationen bedeuten. Wir sprechen wieder von einer Poietike 
          techne. Wir sprechen noch einmal von einer progressiven Ästhetik 
          bzw. Poetik, deren bewußte Anwendung ein Fortschreiten der Literatur 
          demonstriert, wie es schon immer den Fortschritt der Wissenschaft gab." 
          
          - Im Juli 1965 veröffentlicht Jacques Legrand in der Revue "Critique" 
          einen Essai "Max Bense et le Groupe de Stuttgart", in dem er die ästhetischen 
          Theorien Benses und, in ihrem Zusammenhang, stochastische Texte sowie 
          die letztjährigen Veröffentlichungen Benses, Harigs, Heißenbüttels 
          und Döhls diskutiert. Dabei spannt Legrand über Mon den Bogen 
          auch zu der von Pierre Garnier herausgegebenen Zeitschrift "Les Lettres", 
          in deren Nr. 31, 1963, unter dem "Plan pilote fondant le Spatialisme" 
          unter anderen auch die Namen Bense, Döhl, Harig, Jandl und Mon 
          gestanden hatten. Was insofern erwähnenswert ist, als das Manifest 
          "Zur Lage" wesentlich durch diesen "Plan pilote [...]" provoziert wurde. 
          
            [Daß eine "Groupe de Stuttgart" im literarischen Bewußtsein 
          Frankreichs eine bereits fixe Größe war, belegt 1969 das 
          6. Heft der "Revue" "Manteia", das sich fast zur Hälfte mit Texten 
          von Bense, Heissenbüttel, Mon, Jürgen Beker, Harig und Döhl 
          füllt, mit Ausnahme Heißenbüttels, der von Charles Grivel 
          übersetzt wurde, übersetzt von Legrand.] 
          - In der Chronologie wäre als nächstes das von den Editionen 
          Hansjörg Mayer und Domberger herausgegebene ausschließlich  
          Stuttgarter Mappenwerk "16 4 66" zu nennen, mit Texten von Bense, Döhl, 
          Heißenbüttel, Yüksel Pazarkaya, mit Typografik von Burkhardt 
          und Mayer, Computergrafik von Frieder Nake, einer grafischen Partitur 
          von Erhard Karkoschka, sowie mit Siebdrucken von Siegfried Cremer, Günther 
          C. Kirchberger und Diter Rot. 
          - Die Tage für "neue literatur in hof" 1966-1970, die von Claus 
          Henneberg (z.T. in Zusammenarbeit mit Döhl) organisiert werden, 
          sind vor allem der experimentellen Literatur der Stuttgarter Gruppe 
          verpflichtet, deren Mitglieder, mit Ausnahme Benses, vollständig 
          und z.T. mehrfach dort gelesen, diskutiert, literarisches Kabarett gemacht 
          und auch ausgestellt haben - in der Begegnung mit experimentellen Autoren 
          und Künstlern vor allem aus der Tschechoslowakei und Österreich, 
          deren Namen sich früher oder später gleichfalls in den Programmen 
          von Stuttgarter Veranstaltungen wiederfinden. (Zu den Hofer Veranstaltungen 
          im einzelnen vgl. die Zusammenstellung im Programmheft 1970). 
          - Am 21. November 1967 kommt es schließlich im Rahmen der Stuttgarter 
          Buchwochen im Landesgewerbemuseum zu einer inzwischen legendär 
          gewordenen, 1994 noch einmal rekonstruierten Mammutlesung mit Beiträgen 
          von Döhl, Eugen Gomringer, Harig, Heißenbüttel, Jandl, 
          Kriwet (via Tonband), Mon, Rot, Rühm, Konrad Balder Schäuffelen 
          und Wolfgang Schmidt, der Bense eine Einführung über "Engagement 
          und Experiment" vorausschickte, aus deren Schluß ich zitiere: 
          
            "Auch ist es klar, daß zwischen den extremen Fällen, 
          zwischen Experiment und Engagement, alle Grade des Scheiterns und des 
          Vergeblichen einkalkuliert werden müssen. Der Sinn für das 
          Unvollkommene gehört ohnedies zur Realität des Schöpferischen 
          und das Vollkommene wird dem Spleen der Theologen überlassen. Daß 
          das Meisterwerk heute unmittelbar am Tinnef, am Kitsch entstehen kann 
          und das Subtile ins Triviale eingebettet wird, gehört zur feineren 
          Dialektik der artistischen Züge dieser Literatur. [..] 
            Im Ganzen [...] also dem 'Prinzip Forschung' stärker verhaftet 
          als dem 'Prinzip Hoffnung', dem Globalen stärker als dem Regionalen, 
          dem Urbanistischen stärker als dem Idyllischen, dem Zynischen stärker 
          als dem Melancholischen, der Variante stärker als dem Typischen 
          und der Provokation stärker als der Saturierung - bleibt das schreibende 
          Wesen ein einzelnes und denkendes Wesen - das zwar gesellschaftlich 
          agiert, aber individuell entscheidet, und mir scheint, daß genau 
          dies in jedem Falle zur realen Signatur der Humanität dieser technischen 
          Zivilisation gehört, die zweifellos nicht mehr rückgängig 
          gemacht werden kann." 
            Zwei Jahre später, aber das gehört fast schon zum Abgesang 
          der, im Verständnis Lawrence Alloways, "heroischen Phase" einer 
          Stuttgarter Gruppe, gibt es auf dem Stuttgarter Kirchentag - "Kirchentägliches 
          mit Wittgenstein" überschrieb es eine Stuttgarter Zeitung - einen 
          weiteren gemeinsamen Stuttgarter Auftritt, diesmal von Esser, Heißenbüttel, 
          Harig, Mader und Döhl. 
            Bereits zur Bestandaufnahme rechne ich 
          - 1. die von Cremer, Mayer und Döhl für die Goethe-Institute 
          in Barcelona, Madrid und Bilbao zusammengestellte Ausstellung mit Katalog, 
          "texto lettras imagines", 1967/68, mit Beiträgen von Bremer, Burkhardt, 
          Cremer, Döhl, Kirchberger, Kriwet, Mayer, 
          - 2. die von "Freunden und Schülern" reich bestückte "anthologie 
          für max bense" aus dem Jahre 1970, "muster möglicher welten", 
          deren zahlreiche Beiträger ich hier nicht auflisten kann, und 
          - 3. den Beitrag der "Stuttgarter Gruppe" zur großen Amsterdamer 
          Wanderausstellung "akustische texte / ?konkrete poesie / visuelle texte", 
          an deren Aufbau Mayer und Döhl wesentlich beteiligt waren. 
          - 1971 macht diese Ausstellung auch in Stuttgart Station, mit visuellen 
          Arbeiten von (in der Reihenfolge des Katalogs) Bense, Burkhardt, Döhl, 
          Heißenbüttel, Mayer, Harig, Kriwet, Mon, Schäuffelen, 
          Schmidt und Tim Ulrichs. Die Sonderveranstaltungen in Stuttgart umfassen 
          die "Eröffnung mit Einführung von Max Bense und Lesung von 
          Eugen Gomringer" (24.3.), eine Lesung von Pierre Garnier, Heißenbüttel, 
          Jandl und Mayröcker (27.3.), "Texte und Kommentare" von Bremer, 
          Döhl, Heinz Gappmayr, Thomkins (7.4.) und von Döhl das Referat 
          "Konkrete Literatur und Engagement", mit anschließendem Podiumsgespräch 
          und Diskussion (28.4.). 
          - Als letzte Bestandaufnahme wäre schließlich noch zu nennen 
          die in der Staatsgalerie Stuttgart 1992 unter Mitarbeit von Ulrike Gauss, 
          von Arnulf M. Wynen und Cremer zusammengestellte Wanderausstellung "Grenzgebiete 
          der bildenden Kunst", die noch einmal in den von Döhl, Herbert 
          W. Franke und Karkoschka verantworteten Ausstellungsteilen "Bild Text 
          Textbilder", "Computerkunst" und "Musikalische Graphik" auch auf die 
          Rolle Stuttgarts in der Literatur, Kunst und Musik der 60er Jahre verweist. 
        
Ende oder Zäsur 
          Ein der "konkreten poesie" im Amsterdamer Katalog vorangestelltes Fragezeichen 
          wollte andeuten, daß wir damals die Phase einer konkreten Poesie 
          im engeren Sinne für abgeschlossen, ihre Möglichkeiten für 
          erschöpft hielten. Entsprechend hatten Felix Andreas Bauman und 
          Döhl für eine vergleichbar umfangreiche Zürcher Ausstellung 
          1970 den Terminus "konkret" ganz vermieden und - analog zu "texto lettras 
          imagines" - von "text buchstabe bild" gesprochen, hatte Heißenbüttel, 
          ebenfalls 1970, in seinen "Anmerkungen zur konkreten Poesie" notiert, 
          daß dort, wo sie sich "zu speziellen Einzelmethoden, Einzeltechniken, 
          Einzelrichtungen" verengt habe, die konkrete Poesie historisch abgeschlossen, 
          überschaubar, museal erscheine. Im "größtmöglichen 
          Miteinander von Methoden" jedoch, durchlässig an den Rändern, 
          könne sie "nicht nur [...] neue" literarische "Sprechweise", "sondern 
          ebenso [...] eine neue Weise" sein, "sich sprachlich in dieser Welt 
          zu orientieren". Nichts anderes aber hatten schon Bense und Döhl 
          gemeint, als sie 1964 zwar nicht von einem "größtmöglichen 
          Miteinander von Methoden", wohl aber von einer Bevorzugung der "Mischformen" 
          sprachen. 
          Daß der Anfang der 70er Jahre in der Geschichte der Stuttgarter 
          Gruppe so etwas wie eine Zäsur markiert, ist schon äußerlich 
          leicht zu zeigen. Hansjörg Mayer schließt seine Galerie, 
          wendet sich in seiner Edition, nach der Herausgabe der "Gesammelten 
          Werke" Rots, ethnologischen Themen zu und verläßt Stuttgart 
          Richtung London. Bense konzentriert sich, zusammen mit Elisabeth Walther, 
          primär auf seine semiotischen Forschungen. Von Burkhardt ist nurmehr 
          wenig zu sehen. Döhl zieht sich aus dem Kulturleben zeitweilig 
          völlig zurück und produziert ausschließlich für 
          die "black box". Heißenbüttel wechselt nach den "Textbüchern" 
          über die "Projekte" zu "einfachen Geschichten" und "Erzählungen" 
          und verläßt, mit seiner Pensionierung 1981, Stuttgart Richtung 
          Norden. 
          Wenn er allerdings seine "einfachen Geschichten" und "Erzählungen", 
          die alles andere als traditonelle Erzählprosa sind, jetzt wieder 
          als "Textbücher" ausweist, bekennt er sich gleichzeitig zu einer 
          Tradition, von der sich Harig immer weiter entfernt, um am 14. April 
          1995 in der Rezension: "Eine Legende lebt. Max Benses Reihe 'rot' und 
          die ewige Jugend des Experiments", zu thematisieren, was seine (anekdotenreiche) 
          autobiographische Prosa als Kurswechsel längst vollzogen hatte. 
          
          "Ich möchte meine experimentellen Lehrjahre der Stuttgarter Schule 
          nicht missen. Ohne Max Benses Einflüsse wäre mein heutiges 
          Erzählen nicht möglich. Und doch: so frisch und unverbraucht 
          mir die Nachfolge Benses erscheint, weder die Rüstigkeit junggebliebener 
          Schlachtrösser noch die Streitlust herangewachsener Laboranten 
          vermag beim kalkulierten Ringen mit der Tücke der Sprache das Kernproblem 
          des Experimentellen zu lösen. Das Problem liegt nämlich in 
          der Sache selbst. Die Provokation experimenteller Literatur ist zugleich 
          das, was an ihr unbeteiligt läßt. In den gelungenen Texten 
          versteht es der Autor zwar - über die reine Demonstration des Sprachmaterials 
          hinaus - sowohl menschliche Verhaltensweisen als auch gesell-schaftliche 
          Zustände in methodisch angeordneten Wortgestiku-lationen vorzuführen 
          (Beispiel: Heißenbüttels, Gomringers, Franz Mons Konstellationen, 
          Jandls Sprechakte, Benses Wort-bilder): Doch die noch so meisterhafte 
          Demonstrationskunst in Sprache hält dem Alterungsprozeß nicht 
          stand. Sprache, an menschliche Aussage, menschlichen Ausdruck, menschlichen 
          Austausch gebunden, mit Mitteilungsvermögen und phantasievoller 
          Verwandlungskraft ausgestattet, drängt nach Geschichten, die sie 
          zu erzählen imstande ist. Techniken, aus artifiziellen Prinzipien 
          entwickelt, riskieren Abnutzung, ja Verschleiß des Mechanischen 
          und altern rascher als Techniken des Erzählens, die mit natürlichen 
          Zeit- und Perspektivewechsel operieren. Der Mensch ist eben kein beschriebenes, 
          sondern ein erzähltes Wesen; indem von ihm erzählt wird, konstituiert 
          es sich als gesellschaftliches Geschöpf. Nur der erzählte 
          Mensch altert nicht." 
          Diesem (Selbst)Verständnis, nach dem es in den 60er Jahren zwar 
          eine experimentelle Literatur mit durchaus überzeugenden Ergebnissen 
          gegeben habe, gegen deren schnelles Altern aber nur ein Kraut, nämlich 
          das des Erzählens, gewachsen sei, wäre erstens die seit den 
          70er Jahren entstandene Literatur Heißenbüttels, Mons und 
          Jandls leicht entgegenzuhalten, was ich im Rahmen eines Kurzreferats 
          nicht leisten kann. Zweitens wäre zu fragen, wieweit Harig die 
          Hauptanliegen der Stuttgarter Gruppe/Schule überhaupt verstanden 
          bzw. sich zu eigen gemacht hatte, wenn er sie ausschließlich auf 
          einen überdies zu eng gefaßten Experimentbegriff festlegt. 
          
          
          Gruppe versus Schule 
          Bevor ich diese Frage zu beantworten, und damit einen Überblick 
          über die Stuttgarter Interessen versuche, muß ich noch einmal 
          zum Etikett zurückkehren. Harigs Rezension in der "ZEIT" spricht 
          immer noch von "Stuttgarter Schule". Und in der Tat hat sich ein Nebeneinander 
          der beiden Begriffe Schule und Gruppe bis heute gehalten, obwohl bereits 
          1965 sowohl die "manuskripte" wie Legrand in seinem Essai eindeutig 
          für "Gruppe" votiert hatten und wir uns seit den 80er Jahren, in 
          denen auch Bense und Döhl wieder begannen, literarische Texte zu 
          publizieren und auszustellen, wiederholt um eine begriffliche Trennung 
          bemühten, so im Juli 1986 in einem Interview, das die Literaturzeitschrift 
          "Flugasche" "'Stuttgarter Gruppe' - nicht 'Schule'" überschrieben 
          hat. Harry Walter hat 1994 in dem Bense gewidmeten Marbacher "Spuren"-Heft 
          mir "den Vorschlag" zugeschrieben, "den strengen Begriff der Schule 
          ausschließlich für die an Benses Stuttgarter Institut oder 
          die im Geiste dieses Instituts geleistete wissenschaftliche Arbeit" 
          zu verwenden, die "mit Bense sympatisierenden und ihm in vielerlei und 
          kaum spezifizierbarer Hinsicht verpflichteten Intellektuellen, Schriftsteller, 
          Künstler" dagegen unter Stuttgarter Gruppe zu subsumieren. Das 
          ist so nicht korrekt. Erstens gab es zu dieser Frage durchaus noch Gespräche 
          mit Bense, der allerdings, jeder Etikettierung abhold, gelegentlich 
          die Existenz einer Stuttgarter Gruppe/Schule rundheraus abstreiten wollte. 
          Zweitens haben Elisabeth Walther und ich uns 1991 anläßlich 
          einer gemeinsamen Eröffnung der Bense-Ausstellung bei Buch Julius 
          geeinigt, daß zwar im Umfeld Benses zur Produktion von literatur 
          oder Kunst in gleichem Maße die Rede über Literatur und Kunst 
          gehört habe, beides nicht immer leicht zu trennen sei, daß 
          aber dennoch getrennt werden solle zwischen "Stuttgarter Schule", worunter 
          wir künftig jene Mitarbeiter rechnen wollten, die im Sinne exakter 
          Ästhetik oder Semiotik geforscht und geschrieben haben und schreiben, 
          und "Stuttgarter Gruppe", der dann die der Zeitschrift "augenblick", 
          der Publikationsfolge "rot", der Studiengalerie oder sonst Bense verbundenen 
          Künstler zuzurechnen seien, was Autoren, bildende Künstler, 
          Komponisten, aber auch Übersetzer und Interpreten einschließen 
          sollte. 
          
          Vom Umfang der Gruppe 
          Definiert man anhand der gegebenen Chronologie und im Verständnis 
          der Soziologie die Stuttgarter Gruppe als eine offene, fluktuierende 
          Gruppe, müßte man zwischen einem engeren und einem weiteren 
          Kreis unterscheiden. Den engeren Kreis hätten danach die in Stuttgart 
          lebenden Bense, Heißenbüttel und Döhl gebildet, ergänzt 
          um die Typographen Klaus Burkhardt und vor allem Hansjörg Mayer. 
          Zu diesem engeren Kreis wären ferner wegen Ihrer Publikationen 
          im "augenblick" und der seit 1960 von Bense und Elisabeth Walther herausgegebenen 
          Reihe "rot", sowie auf Grund engerer persönlicher Beziehungen zu 
          mindest einem der Genannten, die Nichtstuttgarter Ludwig Harig, Franz 
          Mon und Ernst Jandl zu zählen. 
          Hinzu kämen Esser, Helmut Mader und Kiwus, die aber im SKKB [= 
          Sozialistisch-Katholischen Künstlerbund] durchaus eigene Interessen 
          vertraten und dergestalt so etwas wie einen Satelliten zu dem eigentlichen 
          Kern bildeten. 
          Fast schon zur zweiten Generation zu zählen wären die Benseschülerin 
          Friederike Rot und wohl auch noch Jens-Peter Mardersteig. 
          Alle anderen in der Chronologie genannten Autoren und Künstler 
          würde ich, bei unterschiedlich engen Verbindungen, Annäherungen 
          und Entfernungen, dem Umfeld der Stuttgarter Gruppe zuschlagen. 
          Bei der grundsätzlichen Offenheit des Stuttgarter Gruppenunternehmens 
          wenig überraschend sind zeitlich beschränkte aber auch langfristigere 
          Verbindungen mit anderen Gruppierungen. Das wäre ganz zunächst, 
          über die Verbindung Benses mit der Hochschule für Gestaltung 
          in Ulm, der Kontakt zu der brasilianischen Noigandres-Gruppe, und hier 
          insbesondere zu Haroldo de Campos. Ferner zu Pierre Garnier und der 
          Zeitschrift "Les Lettres", zu tschechoslowakischen, vor allem Prager 
          Experimentalkünstlern und -autoren wie Bohumila Grögerová, 
          Josef Hiršal, Jiri Kolar und Ladislav Novák. Entsprechend finden 
          sich im Register zu Grögerova/Hiršals Erinnerungen "Let Let. Im 
          Flug der Jahre" für Bense 27, für Döhl 28, für Heißenbüttel 
          36, für Jandl 33, für Mayer und Mon je 11 und für Burkhardt 
          und Harig noch je 5 Nennungen. 
          Engere Beziehungen bestanden auch zum "Forum Stadtpark" in Graz, bestehen 
          seit den frühen 60er Jahren zu Japan, zunächst zur Asa-Gruppe, 
          mit der zusammen in den 60er Jahren mehrfach ausgestellt wurde, später 
          zur Shi-Shi-Gruppe sowie zum Künstlerkreis um Shutaro Mukai, der 
          andererseits zum wissenschaftlichen Beirat der Zeitschrift "Semiosis" 
          gehört. Des weiteren gab bzw. gibt es Beziehungen zu den türkischen 
          Autoren Özdemir Nutku und Pazarkaya, wobei man letzteren zum weiteren 
          Kreis der Stuttgarter Gruppe rechnen muß, nach Mexiko, den USA, 
          Dänemark, Schweden und anderes mehr. 
          Außer Autoren (die als Doppelbegabungen häufiger auch in 
          einem bildkünstlerischen Kontakt zu Stuttgart standen oder noch 
          stehen) sind aber auch eine Reihe bildender Künstler wenigstens 
          peripher der Stuttgarter Gruppe zuzurechnen, darunter die Vertreter 
          der inzwischen legendären "Gruppe 11", dem Alphabet nach Atila 
          (Biro), den Bense und Döhl (aber auch Garnier) wiederholt eröffnet, 
          zu dem sie publiziert haben; Georg Karl Pfahler, den Bense und Döhl 
          eröffnet, zu dem Bense und Döhl publiziert, mit dem Bense 
          und Döhl auch künstlerisch zusammengearbeitet haben; Günther 
          C. Kirchberger, über dessen Oeuvre Heißenbüttel und 
          Döhl gesprochen und publiziert, mit dem Döhl (und dann auch 
          Hansjörg Mayer) in den 60er Jahre sehr intensiv zusammengearbeitet 
          haben, und schließlich Friedrich Sieber, über den ausschließlich 
          Döhl geschrieben und gesprochen hat. Außer der "Gruppe 11" 
          vor allem genannt werden muß ferner Reinhold Köhler, den 
          Bense, Heißenbüttel und Döhl z.T. mehrfach eröffnet, 
          über den Bense und Heißenbüttel geschrieben, mit dem 
          Bense und Heißenbüttel publiziert haben. Genannt werden müßten 
          aber auch eine Reihe brasilianischer, nicht nur konkreter Künstler. 
          Allein die Ausstellungen der von Bense eingerichteten Studiengalerie 
          wären ein eigenes Kapitel wert. Ich nenne aber nur noch Werner 
          Schreib, der zwar mit der von ihm und Lucio Lattanzi proklamierten "Semantischen 
          Malerei" bei Bense auf kein Verständnis stieß, dennoch aber 
          Stuttgart bis zu seinem Unfalltod 1969 freundschaftlich verbunden blieb 
          und in einer hinterlassenen "Roman-Assemblage", "Das Tribunal", Bense 
          sogar das letzte Wort behalten ließ. 
          Etwas spärlicher fällt der Bereich Musik aus. Doch gibt es 
          auch hier Wechselbezüge zur "Schola cantorum" z.B. unter Clythus 
          Gottwald, die unter anderem Benses Collage "Rosenschuttplatz" und Döhls 
          "man" realisierte, zum "Trio Ex Voco", zu Peter Hoch, der ein "portrait 
          m.b." komponierte und Harig 'vertonte', zu dem Komponisten Friedhelm 
          Döhl oder dem Cellisten Johannes Zagrosek. Auch wäre einmal 
          darauf aufmerksam zu machen, daß die visuellen Hervorbringungen 
          der Stuttgarter Gruppe durchaus Partiturcharakter haben können 
          oder ausdrücklich als "Partituren" ausgewiesen sind. 
        
Von Orten und Örtern 
            Was meine Hinweise auf die Tage für "neue literatur in hof" 
          wie allgemein auf das Bekanntsein der Stuttgarter Gruppe außerhalb 
          Stuttgarts und Deutschlands andeuteten wollten, läßt sich 
          konkretisieren, wenn man einmal nach den Orten und Örtern fragt, 
          die mit einzelnen oder mehreren Künstlern der Stuttgarter Gruppe 
          in Verbindung gebracht werden müssen. 
            Für Bense allenfalls der Ort seiner Füße, hat 
          Stuttgart z.B. in den "Textbüchern" Heißenbüttels, im 
          "Stuttgart Prospekt" Döhls durchaus deutlichere, wenn auch für 
          die Werbung kaum geeignete Spuren hinterlassen. 
            Wichtiger jedoch sind andere Orte, so im Falle Benses die Hochschule 
          für Gestaltung in Ulm, an der er zeitweilig lehrte, ein Ort der 
          Begegnung mit Max Bill, mit Gomringer, der ersten Begegnung mit den 
          Brasilianern, mit Shutaro Mukai, ferner Claus Bremer oder Paul Pörtner, 
          der hier in einem elektronischen Studio auch für Stuttgart anregende 
          Hörspielexperimente veranstaltete. Nicht unwichtig waren ferner 
          die Ausstellungen im "studio f", in denen Kunst gezeigt wurde, die es 
          in Stuttgart (so noch) nicht zu sehen gab, was allemal eine Reise nach 
          Ulm wert war. 
            Genannt werden muß ferner Hamburg, wo Bense an der Hochschule 
          für bildende Künste 1958 bis 1960 und 1966 bis 1976 zweimal 
          eine Gastprofessur für Ästhetik inne hatte. Heißenbüttel 
          war nach seinem Studium beim Hamburger Claassen-Verlag Lektor, bis er 
          1957 beim Süddeutschen Rundfunk zunächst eine Regieaussistenz 
          übernahm und 1959 Leiter des Radio-Essays wurde, ohne seine Beziehungen 
          zu Hamburg je ganz aufzugeben. Döhls künstlerische Anfänge 
          datieren 1954/1955 in Hamburg mit Fotografie und dem vergeblichen Versuch, 
          auf Grund dieser Fotos zum Studium an der Hamburger Kunstakademie zugelassen 
          zu werden. Auch in seinem Fall sind die Verbindungen zu Hamburg (vor 
          allem dem Norddeutschen Rundfunk) nie ganz abgerissen. Hamburger Künstler, 
          z.B. Arnim Sandig oder Paul Wunderlich, haben nicht nur in Stuttgart 
          oder Hof ausgestellt, es ist über sie oder mit ihnen auch publiziert 
          worden. Im Falle Sandigs z.B. von Heißenbüttel, Bense, Döhl. 
          
            Straßburg, der Geburtsort Benses war auch der Geburtsort 
          Arps, über den Döhl promovierte. 
            Das Rheinland, in dem Bense von 1920 bis 1938 lebte, zur Schule 
          ging, studierte und erstmals 1928 auch schriftstellerisch tätig 
          wurde, bekommt im "Entwurf einer Rheinlandschaft" (1962) seine poetische 
          Topografie. 
            Fast schon zentral ist die Verbindung mit Paris, der "alten Dame 
          mit Hut", um Bense zu zitieren, die in dem von Bense 1952 begründeten 
          Arbeitskreis "Geistiges Frankreich" des Studium Generale der TH Stuttgart 
          (ebenfalls einer Gründung Benses) und in den 60er Jahren fast allgegenwärtig 
          war. Ich nenne hier nur die Namen Gertrude Stein, Stéphane Mallarmé, 
          Francis Ponge, Raymond Queneau, Jean Genet, Jean Paul Sartre, Nathalie 
          Sarraute, ich nenne das Collegium Pataphysicum, das Studio bzw. den 
          Club d'Essai, den Verlag Gallimard. Paris war, anekdotisch, der Ort, 
          an dem sich Bense und Döhl erstmals verabredeten aber verpaßten, 
          der Ort Barbaras, des ersten gemeinsamen Auftretens der "Ecole de Stuttgart". 
          In Paris wohnten Ilse und Pierre Garnier und andere Freunde, und ganz 
          in der Nähe, in Meudon, arbeitete Arp. 
            Gringnan in der Provence war nicht nur ein Fluchtpunkt Benses 
          sondern auch der Ort zufälliger Begegnungen, wie sich sehr schön 
          den rot-Nummern 60 (Bense: "Grignan 1. Grignan 2. Beschreibung einer 
          Landschaft") und 61 (Pierre Garnier: "Treffen in Grignan") ablesen läßt. 
          
            Wichtig vor allem für die Geschichte der Stuttgarter Schule 
          sind die insgesamt 12 USA-Reisen Benses seit 1969, nicht nur für 
          die Stuttgarter Schule sondern auch Gruppe die vier Brasilienreisen 
          Benses (1961-1964), in deren Folge eine Reihe brasilianischer Schriftsteller, 
          Künstler und Architekten nach Stuttgart kamen mit Auswirkungen 
          bis nach Prag. 
            Ich habe die wichtige Beziehungen zu Prag bereits quantitativ 
          angedeutet und ergänze inhaltlich dahingehend, daß in den 
          60er und dann wieder in den 90er Jahren Prager Autoren und Künstler 
          in Stuttgart gelesen, Vorträge gehalten und ausgestellt haben wie 
          vice versa Stuttgarter Autoren und Künstler in Prag Vorträge 
          hielten, lasen, Rundfunkinterviews gaben und ausstellten. Noch vor seiner 
          westdeutschen Uraufführung wurde 1969/1970 ein Stück Döhls 
          zunächst im tschechischen Rundfunk gesendet, dann auch szenisch 
          realisiert. Und sicherlich nicht zum letzten Mal wurde die Verbindung 
          Prag-Stuttgart dokumentiert in der diesjährigen Ausstellung "Básen 
          obraz gesto zvuk. Experimentální poezie 60. let" (= Dichtung 
          Bild Ausdruck Klang. Experimentelle Poesie der 60er Jahre) des Museums 
          für Tschechische Literatur mit auch Stuttgarter Exponaten ebenso 
          wie im Katalog, wo einer "Stuttgartská skola" - in der Reihenfolge 
          des Katalogtextes - Heißenbüttel, Döhl, Harig, Mon, 
          Schäuffelen, Schmidt, Koehler, Kirchberger, Burkhardt, Mayer, Bense, 
          Elisabeth Walther und aaO auch Jandl zugeschlagen werden, vor allem 
          aber auf ihre internationalen Beziehungen zur Tschechischen Republik, 
          zu Frankreich, Brasilien und Japan abgestellt wird. 
            Auch die Stuttgarter Beziehungen zu Japan, das Bense und Döhl 
          auf Vortragsreisen von Tokyo bis Kagoshima mehrfach durchquerten, haben 
          bis heute Bestand in Form von Einzel- und Gruppenausstellungen, von 
          Übersetzungen, Aufsätzen und gemeinschaftlichen poetischen 
          Experimenten in der Tradition der japanischen Renga/Renku/Renshi. 
        
Die Hervorbringungen 
            Zu den Leistungen der Stuttgarter Gruppe zählt, immer wieder 
          genannt aber in ihrem Umfang und ihren Ausformungen nicht recht erfaßt, 
          erstens die konkrete Poesie, nicht nur in ihrer vor allem bekannten 
          visuellen Spielformen, über die hier zu reden, bedeuten würde, 
          Äpfel nach Stuttgart zu tragen, sondern auch (siehe Benses Rosenschuttplatz, 
          Döhls man oder Heißenbüttels Projekt Nr. 2) in den akustischen 
          Spielmöglichkeiten. Eine umfassende Dokumentation des Studios für 
          akustische Kunst des Westdeutschen Rundfunks nennt 1997 im internationalen 
          Kontext zentrale Arbeiten Benses, Döhls, Heißenbüttels, 
          Jandls und Mons. Wobei hier die Grenze zum Hörspiel fließend 
          wird. Immerhin haben die genannten Autoren zusammen mit Harig zur Geschichte 
          des "Neuen Hörspiels" seit Ende der 60er Jahren mit über 50 
          gesendeten Hörspielen nicht unwesentlich beigetragen. 
            Das Interesse an konkreter Poesie zeigt sich jedoch nicht nur 
          in den visuellen und akustischen Hervorbringungen, es spiegelt sich 
          in gleichem Maße in einer intensiven Ausstellungstätigkeit. 
          Eine von Bense veranstaltete Ausstellung im Wintersemester 1959/1960, 
          zu der sogar ein Fernsehbericht des Süddeutschen Rundfunks gesendet 
          wurde, war die weltweit wohl erste ihrer Art, der weitere bis zu den 
          großen Zürcher und Amsterdamer Abgesängen folgten. Sie 
          und die von der Something Else-Press und der Edition Hansjörg Mayer 
          1967 gemeinsam verlegte, von Emmett Williams herausgegebene "Anthology 
          of Concrete Poetry" haben die Rolle Stuttgarts für die konkrete 
          Poesie ebenso festgeschrieben wie die hier einschlägigen zahlreichen 
          Vorträge und Aufsätze Benses, ich nenne stellvertretend "Konkrete 
          Poesie" von 1965, Heißenbüttels ("Anmerkungen zur konkreten 
          Poesie", 1970) und Döhls ("Konkrete Literatur", 1971). 
            Eine weitere zentrale Leistung der Stuttgarter Gruppe, vor allem 
          aber Benses war, in Verbindung mit hier zuständigen Programmierern, 
          die Beförderung einer "unpersönlichen", von Bense sogenannten 
          "künstlichen Poesie", also von mit Hilfe von Großrechenanlagen 
          hergestellten "Stochastischen Texten" seit 1959, erstmals veröffentlicht 
          im "augenblick", aber auch von computergenerierter Grafik, erstmals 
          ausgestellt und heftig diskutiert im Januar 1965 in der Studiengalerie. 
          
            Eine dritte Leistung der Stuttgarter Gruppe sind die intendierten 
          Mischformen bis Grenzverwischungen, wobei die Collage vielleicht das 
          Bindungsglied bilden könnte zwischen Literatur und bildender Kunst. 
          Das Interesse an den Collagen der Cubisten, an Kolar, der, ursprünglich 
          Autor, den Versuch unternahm, die Literatur im Medium der Collage fortzuschreiben, 
          wäre hier ebenso zu erinnern wie das Engagement für die Décollagen, 
          Contrecollagen und Décollages imprimés Köhlers wie 
          die Collagenproduktion Mons oder Döhls wie die reinen Textcollagen 
          Benses, Harigs, Heißenbüttels, Döhls u.a.m. 
            Signifikant für die Stuttgarter Gruppe war ferner, Benses 
          Einführung über "Engamement und Experiment" deutete dies bereits 
          an, eine Verbindung von Experiment und Tendenz. Benses "augenblick", 
          zunächst als "Zeitschrift für aktuelle Philosophie, Ästhetik 
          und Polemik" begründet, firmierte seit 1958 im Zweittitel als Zeitschrift 
          für "Tendenz und Experiment". Und es gibt unter den Veröffentlichungen 
          der Stuttgarter Gruppe genügend Belege tendenziös-experimenteller 
          Literatur, Döhls "missa profana", für die Bense ein apologetisches 
          Gutachten schrieb, Benses Traktat "Ein Geräusch in der Straße", 
          Harigs "Staatsbegräbnis", Heißenbüttels "Deutschland 
          1944" und andere Texte, die alle mehr oder weniger Ärgernis erregten. 
          Mit der dialektischen Pointe, daß in einer Zeit, in der die regierende 
          CDU die Parole "Keine Experimente" ausgegeben hatte, jedes Experiment 
          bereits Opposition war. Selbst vordergründig nur experimentelle 
          Texte konnten durchaus tendenziöses Potential entfalten, wie beispielsweise 
          die tschechische Reaktion auf Heißenbüttels "Politische Grammatik" 
          belegt. 
            Übrigens ließe sich hier ein trefflicher, der Stuttgarter 
          Gruppe allerdings nur aus der Ferne verbundener Kronzeuge aufrufen, 
          Günter Eich nämlich, der schon bevor er sich mit seinen späten 
          Hörspielen und den "Maulwürfen" dem unsinnigen Experiment 
          verschrieb, 1959 erklärt hatte: 
            "Wir wissen, daß die Macht daran interessiert ist, daß 
          alle Kunst die Grenze der Harmlosigkeit nicht überschreitet. Macht 
          widerstrebt der Qualität. Sprache, die über die gelenkte, 
          die von ihr genehmigte, hinausgeht, ist nicht erwünscht. Ihr bloßes 
          Vorhandensein stellt eine Kritik dar, etwas, was der Lenkung und damit 
          der Macht selbst widerspricht. 
            Sprache, damit ist auch die esoterische, die experimentierende, 
          die radikale Sprache gemeint. Je heftiger sie der Sprachregelung widerspricht, 
          um so mehr ist sie bewahrend. Nicht zufällig wird sie von der Macht 
          mit besonderem Zorn verfolgt. Nicht, weil der genehme Inhalt fehlt, 
          sondern weil es nicht möglich ist, ihn hineinzupraktizieren. Weil 
          da etwas entsteht, das nicht für die Macht einzusetzen ist. Es 
          sind nicht die Inhalte, es ist die Sprache, die gegen die Macht wirkt. 
          Die Partnerschaft der Sprache kann stärker sein als die Gegnerschaft 
          der Meinung." 
            Nicht von ungefähr trifft man Eich dann auch unter den Autoren 
          der Tage für "neue literatur in hof" wieder, wo er 1966 seine ersten, 
          damals noch unveröffentlichten anarchistischen "Maulwürfe" 
          (darunter "Kulka", "Hilpert" und das "In das endgültige Manuskript 
          nicht aufgenommenes Bruchstück einer Memoire") vorstellte. 
        
Tradition 
            Ich habe bereits das Interesse der Stuttgarter Gruppe an der 
          Tradition experimenteller Kunst im 20. Jahrhundert zitiert und möchte 
          hier lediglich noch ein paar Namen nennen bzw. wiederholen, zunächst 
          und als erste Gertrude Stein und ihr Werk, an dessen theoretischer und 
          praktischer Rezeption in der Bundesrepublik außer Heißenbüttel, 
          der mit seinem Aufsatz "Reduzierte Sprache. Über ein Stück 
          von Gertrude Stein" 1955 im "augenblick" den Anstoß gab, vor allem 
          Bense, Elisabeth Walter und auch Döhl beteiligt waren. Über 
          Gertrude Stein einerseits, Picasso und Braque andererseits geriet auch 
          der analytische und synthetische Cubismus ins Blickfeld, über den 
          ebenso publiziert wurde wie über den Dadaismus, hier vor allem 
          über Arp und Schwitters. Aber auch Stéphane Mallarmé, 
          James Joyce, oder Gottfried Benn, mit dem Bense bereits in den 30er 
          Jahren korrespondierte, spielten in den Stuttgarter Diskussionen eine 
          Rolle wie aktuell Raymond Queneau, den Harig und Eugen Helmlé 
          übersetzten, die Experimente aus den Werkstätten der potentiellen 
          Literatur (OULIPO), die Noveau Romanciers (Nathalie Sarraute), George 
          Perec, Jean Genet oder die "cut ups" der "beat generation", wobei es 
          uns eine diebische Freude bereitete, daß eines Tages in der "ZEIT" 
          die "missa profana" Allen Ginsberg zugeschrieben wurde. 
        
Individualwerk und Coproduktion 
            Es ist relativ leicht, bei Musterung der einzelnen Werkkomplexe 
          das je Individuelle der Autoren und Künstler der Stuttgarter Gruppe 
          herauszufinden. Eine Gruppenstil hat es nie gegeben, wohl aber gemeinsame 
          Interessen. Und die konnten sich durchaus in wechselseitigem Zitieren, 
          in Gemeinschaftsarbeiten niederschlagen. Ich nenne noch einmal das Manifest 
          von Bense/ Döhl. Bense und Harig ("Der Monolog des Terry Jo"), 
          Beker, Döhl und Harig haben gemeinsame Hörspiele geschrieben, 
          Harig und Döhl für "muster möglicher welten" die "Deutsche 
          Sprachlehre" "Hans und Grete" collagiert und für die "tage für 
          neue literatur" in Hof 13 Wagneropern décollagiert. Zwei der 
          "7 Vorworte Anna" in Döhls "Das Buch Es Anna" stammen von Bense 
          und Heißenbüttel. Für Burkhardts Handpressendruck "Reste 
          eines Gesichts" haben Bense und Pfahler, für das "affiche 14" Burkhardt, 
          Pfahler und Döhl zusammen gearbeitet. "rot 9" (mit dem an Gertrude 
          Stein gemahnenden Titel "portrait einwände") und die "poem structures 
          in the looking glass" (rot 40) sind Gemeinschaftsarbeiten von Burkhardt 
          und Döhl. Kirchberger und Döhl malten und schrieben gemeinsam 
          "Textgrafik-Integrationen" und "Comic strips" und realisierten zusammen 
          mit Hansjörg Mayer die Programme "Typografie", "Bild" und "Text". 
          Mayer hat Benses "Rosenschuttplatz" "fortgesetzt" und derart ein visuelles 
          Pendant zur akustischen Realisation durch Clythus Gottwald geschaffen. 
          Was an Beispielen ausreichen sollte, der Stuttgarter Gruppe auch in 
          der dialogischen Tendenz der Künste im 20. Jahrhundert einen Platz 
          zuzuweisen. 
        
Open end 
            Daß die Stuttgarter Gruppe in den 60er Jahren eine fluktuierende, 
          offen gehaltene Gruppe war, dürfte auch die Erklärung  
          sein dafür, daß die meisten ihrer Mitglieder über die 
          "heroische" Phase der 60er Jahre hinaus bis heute in wechselnden Partnerschaften 
          Kontakt gehalten haben. Ich möchte dies, bezogen auf die individuellen 
          Werkentwicklungen, einen Begriff Wystan Hugh Audens verwendend, die 
          Phase der "colonization" nennen. Vor allem durch eine umfangreiche mail 
          art, für die ich an die Ausstellung des letzten Jahres hier im 
          Wilhelmspalais erinnere, die schon genannten internationalen Kettendichtungen, 
          sogenannte "poetische Korrespondenzen", wurden Beziehungen bis heute 
          aufrecht erhalten, auch neue geknüpft, so daß es kaum überrascht, 
          wenn es bei den letztjährigen Internet-Projekten von Johannes Auser 
          und Döhl, einem "Epitaph Gertrude Stein", der "Hommage Helmut Heißenbüttel", 
          mit abschließendem "Epilog" oder beim augenblicklichen "poemchess" 
          weitgehend bei den alten Namen geblieben ist, ja daß wir sogar 
          Texte Benses in unsere Ketten einbauen konnten. 
            Der Stuttgarter Part der "Wort für Wort"-Veranstaltungen, 
          der 1994 unter dem Motto "Wie Stuttgart Schule machte" stand, bot denn 
          auch mit einem "Symposium Max Bense" nicht nur einen Rückblick 
          auf die Stuttgarter Gruppe und ihre internationalen Verflechtungen, 
          sondern in den gemeinschaftlichen Lesungen von Esser und Harig, von 
          Mon und Döhl auch aktuelle Literatur, im Wilhelmspalais retrospektive 
          Typografie, in der Ausstellung "Aus den Pariser Skizzenbüchern" 
          bei Buch Julius aktuelle Kunst. War es auf der einen Seite zum ersten 
          Mal in Stuttgart möglich, nicht im Süddeutschen Rundfunk sondern 
          mit Hilfe des Westdeutschen Rundfunks, im Wilhelmspalais exemplarische 
          Hörspiele der Stuttgarter Gruppe aus den 60er Jahren zu hören, 
          konnte man auf der anderen Seite im Wilhelma-Theater ein aktuelles Stück 
          sehen, aufgeführt von der Gruppe "Wortissimo" unter Leitung von 
          Gerdi Sobek-Beutter, die sich seit Jahren schon, mit wechselnden Sprecherinnen 
          und Sprechern, um die Realisation von Texten der Stuttgarter Gruppe 
          intensiv bemüht. Mit auch Hamburger, Pariser, Grazer Auftritten, 
          wie ich im Hinblick auf das Kapitel "Orte, Örter" hinzufüge. 
        
Notabene 
            Es muß leider angemerkt werden, daß viele dieser 
          Veranstaltungen, darunter die letztjährigen, bisher noch nicht 
          genannten Versuche vor allem von Buch Julius, eine Geschichte der Stuttgarter 
          Gruppe, ihrer Beziehungen zum Spatialismus Ilse und Pierre Garniers, 
          nach Prag oder Japan, zu Gertrude Stein oder Mallarmé oder Chlebnikov 
          undsoweiter zu schreiben, von der Stuttgarter Presse und damit auch 
          der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurden. Wenn überhaupt, 
          erschienen Kritiken oft nur in Tageszeitungen in Böblingen oder 
          Esslingen, auch mal im Börsenblatt oder, besonders kraß, 
          sogar in Japan (Shun Suzuki: Doitsu renshi notsudoi ni sanka shite. 
          Hana 9, 1995, S. 42f.). Es ist dies ein seit den 60er Jahren wohlvertrautes 
          Phänomen, gegen das beim Möchtegernpartner der Welt mit kulturellem 
          Kurzzeitgedächtnis kein Kraut gewachsen scheint. Johannes Auer 
          und Döhl haben deshalb begonnen, unter dem Verzeichnis "Als Stuttgart 
          Schule machte" peu à peu einschlägige Texte und Kommentare 
          ins Internet zu stellen und so schwer Zugängliches, auch Unveröffentlichtes 
          aus und zu der Stuttgarter Gruppe/ Schule international zugänglich 
          zu machen. Und sie würden sich natürlich über jeden hier 
          einschlägigen Beitrag freuen. 
            Bense hat Stuttgart den Ort seiner Füße genannt, Döhl 
          seinen "Stuttgart Prospekt" längst abgeschlossen. Heißenbüttel 
          hätte wahrscheinlich angemerkt: "Mehr ist dazu nicht zu sagen". 
          Ich zitiere aber ein letztes Mal Max Bense mit einem Text, den er 1962 
          dem "Unendlichen Calender" beisteuerte: 
            "Ein einziger Tag ohne Unterdrückung, ohne Macht, ohne Kompromiß, 
          ohne Vorsicht, ohne Übertretung, ohne Hintergedanke, ohne Liquidation, 
          ohne Klasse, ohne Gesellschaft, ohne Verwandte, ohne Nachbarschaft, 
          ohne Beziehung, ohne Betroffenheit, ohne Einbezug, ohne Verräterei, 
          ohne Sinn, ohne Funktion, ohne Absicht, ohne Umschweif, ohne Anfälligkeit, 
          ohne Vermutung, ohne Anwiderung, ohne Hoffnung, ohne Erlaß, ohne 
          Aufschub, ohne alle anderen, in einem abgestorbenen Staat, einer toten 
          Sprache überlassen, ohne Bedarf an Freiheit, um zu sehen was noch 
          und wie, - das könnte ein Rosenmontag sein." 
        
[Wilhelmspalais 8.12.1997]